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Das Fraunhofer ISI stellt sich vor...

30.11.2021

Im Verbund MethSys wird die Rolle von EE-Methan im zukünftigen Energiesystem evaluiert. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung untersucht, wie sich die Nachfrage nach EE-Methan im Verkehrssystem (ALADIN-Modell) und das Gesamtenergiesystem (ENERTILE-Modell) zukünftig entwickeln könnten.

Guten Tag Herr Wietschel. In MethSys werden drei verschiedene Szenarien untersucht. Wie sind die Szenarien charakterisiert und wofür braucht es diese?

Über Szenarien ist man in der Lage, gewisse Unsicherheiten über zukünftige Entwicklungen abzubilden. Wir schauen perspektivisch bis 2050 und in diesem Transformationsprozess gibt es Unsicherheiten auf verschiedenster Ebene. Beispielsweise die Entwicklung von techno-ökonomischen Parameter, wie Preise für Strom und andere Energieträger. Um diese Unsicherheiten abzubilden, setzen wir in der Energiesystemanalyse Szenarien ein. Die Energiesystemanalyse ist davon abgekommen die wahrscheinlichste Entwicklung zu prognostizieren, sondern entwickelt in den Szenarien in sich geschlossene logische Narrative, bildet diese in Modellen ab und erzielt über die quantitativen Analysen neue Erkenntnisse.

Können Sie grob skizzieren wie die Modelle arbeiten und welche Fragen damit beantwortet werden?

Energiesystemmodelle sind schon mehr als 30 Jahre alt und haben somit eine Historie. Mit Energiesystemmodellen versucht man die komplexen Beziehungen abzubilden, die zwischen Erzeugung, Transport und Nachfrage an Energieträgern entstehen. Zu Beginn eines Energiesystemmodells stehen Überlegungen, wie sich die Nachfrage entwickeln könnte. Im nächsten Schritt, gilt es zu analysieren, wie diese Nachfrage am besten befriedigt werden kann. Das passiert üblicherweise unter einer ökonomischen Zielsetzung, z. B. minimale Kosten zu erreichen. Dabei setzten wir gewisse Restrektionen - die wichtigste ist natürlich die Einhaltung vom Treibhausgasminderungszielen.

Welche Alleinstellungsmerkmale bringt das Fraunhofer ISI auf dem Gebiet der Systemanalyse mit?

Wir haben langjährige Erfahrung mit Energiesystemanalysen für verschiedenste Auftraggeber aus Industrie und Politik. Zu betonen ist, dass wir als Fraunhofer ISI unabhängig von technologischen Entwicklungen sind und deshalb eine wissenschaftliche Neutralität in die Bewertung einbringen. Unsere Besonderheit ist zudem, dass wir neben der Angebotsseite, die Transportnetze und die Nachfrage verstehen. Gerade um solche systemischen Zusammenhänge zu erkennen braucht es natürlich auch Kompetenzen auf diesen verschiedenen Themengebieten. Wir haben außerdem gute Kenntnisse im Operation Research, also u. a. in mathematischen Methoden, und den Computerkapazitäten, die man für die Modellierung benötigt. Das geht über Big Data Fragestellungen bis hin zur effizienten schnellen Berechnungen. Nicht zu Letzt, sind alle Modelle Vereinfachungen von der Realität, wir haben die Erfahrung die Schwachpunkte der Modelle zu identifizieren und die Modellergebnisse entsprechend einzuordnen.

Die Partner in MethSys bringen ihre Modelle ebenfalls ein. Wo liegt der Mehrwert dieser Modellkopplung?

Jedes Modell für sich genommen, ist relativ komplex und rechenaufwändig, sodass nicht alle Aspekte in einem einzigen Modell integriert werden können. Deshalb hat sich heute in der Energiesystemanalyse durchgesetzt, dass man verschiedene Modelle, mit verschiedenen Schwerpunkten, verknüpft. Also z. B. die Nachfrageseite, das Stromnetz oder das Gasnetz. Wir koppeln In- und Outputs der einzelnen Modelle miteinander und bekommen so eine gesamtheitlichere Sicht.

Warum braucht es die geschilderten vielschichtigen Arbeiten im Projekt?

Die komplexen Zusammenhänge kann man nicht mit Stift und Papier aufzeichnen. Um die Systemzusammenhänge überhaupt aufzuzeigen und dann Rückkopplungen zu erkennen, sind computergestützte Modelle quasi unabdingbar. Eine andere Möglichkeit ist eine Expertenbefragung. Im Vergleich mit computergestützten Modellen, sieht man jedoch häufig, dass die Technologieexperten optimistischer sind, was die Transformation von solchen Systemen angeht. Das heißt nicht, dass Expertenbefragungen falsch und Computermodelle richtig sind oder umgekehrt. Es braucht beides für eine zielführende Diskussion.

Aus den computergestützten Modellen kann MethSys dann Handlungsempfehlungen ableiten?

Ja, das ist der Anspruch. Solche Modelle, wie wir sie hier in MethSys einsetzen, sollen gerade Stakeholdern wertvolle Unterstützung bei Entscheidungen bieten und werden zur Politikberatung eingesetzt. Beispielsweise beauftragt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Studien mit solchen Modellen. Energiesystemmodelle sind gute Werkzeuge, um technische und wirtschaftliche Zusammenhänge aufzuzeigen - aber den Faktor Mensch darf man dabei nie vergessen. Zur Marktdurchdringung einer Technologie braucht es auf der einen Seite die Akzeptanz der Kunden, auf der anderen Seite auch das Interesse der Stakeholder. Im Gespräch mit den Stakeholdern, können wir zum einen erfahren, wie der tatsächliche aktuelle technische Stand ist und wer gerade auf welchem Thema unterwegs ist. Daraus lässt sich ableiten, wie weit eine Technologie am Markt schon etabliert ist, oder wie weit sie von der Markteinführung entfernt ist. Eine Stakeholderanalyse hilft die bestehenden Interessen zu erfassen und somit das System und mögliche Transformationen besser zu verstehen. Aus der Analyse kann schließlich abgeleitet werden, welche Stakeholder in den jeweiligen Transformationsprozess einbezogen werden sollten. Mit den richtigen Stakeholdern, zur richtigen Zeit zu sprechen ist ein ganz wesentlich für die Etablierung neuer Technologien. Werden neue Technologien zu früh an den Markt gebracht werden, kann die Markteinführung misslingen und die Technologie ist dann ggf. gebrandmarkt. Das hat man erlebt, als man vor einigen Jahren versucht hat, die Brennstoffzelle im deutschen Markt zu etablieren und zu früh dran war mit dem Thema. Um die genannten essenziellen Aspekte – rund um die Interessen der Stakeholder und die Akzeptanz der Kunden - adäquat einzubeziehen, liegt der Fokus heute auf sozio-techno-ökonomischen Systemanalysen.

Gesamtkoordination:

Rolls-Royce Solutions GmbH
Maybachplatz 1
88045 Friedrichshafen

 

DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut
des Karlsruher Instituts für Technologie

Engler-Bunte-Ring 1 – 9
76131 Karlsruhe